Wer die Hochzeitsfotografie beruflich betreibt, kommt früher oder später auch mit dem Thema Burn-out in Verbindung.
Nicht immer muss es gleich die tiefe Krise sein, in der einfach gar nichts mehr geht (oft ist es aber leider doch so). Manchmal ist es einfach das Gefühl, nicht mehr so viel Energie zu haben, weniger oder keine Lust zum Arbeiten und als Ergebnis einfallslose Bilder, von denen man weiß, man würde das gerne besser machen, aber es scheint gerade nicht zu gehen.
Auch mich hat ein Burn-out vor zwei Jahren in die Knie gezwungen. Ich weiß also wovon ich rede.
Wenn man erstmal unten angekommen ist, dauert es mitunter eine ganze Weile, bis man sich wieder berappelt hat. Der Weg scheint einem lang und steinig. Aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es geht. Mehr noch, die Krise lässt einen nicht unverändert, so dass ich heute sagen kann: Ich fühle mich heute besser als vorher, habe mehr Spaß an meiner Arbeit, achte meine Grenzen und Wünsche und fühle mich erfüllter. Und das schlägt sich dann auch in den Ergebnissen nieder.
Der Punkt ist: Nur weil man einen Burn-out einmal überstanden hat, heisst das nicht, dass er nicht wieder kommen könnte.
Man muss gezielt Maßnahmen ergreifen, die dafür sorgen, dass man mit seinen Kräften haushält und mit sich selber im Reinen bleibt. Immer wieder. Es ist ein dauerhafter Prozess.
Einfache Rezepte gibt es nicht, wohl aber einige Hinweise, die ich in diesem Artikel geben kann. Dinge, auf die ich selber inzwischen sehr achte und – auch das ist schon ein Tipp – mir Feedback von aussen geben lasse, wenn ich die Zeichen selber gerade übersehen sollte.
Burn-out ist im Grunde fast schon ein Modewort und beschreibt keine präzise diagnostizierbare Krankheit, obwohl es die Diagnose „Burn-out“ im Verzeichnis der ärztlichen Diagnosen sogar gibt. Der Fachausdruck ist dennoch: „multifaktoriell“, d.h. die Ursache ist nicht klar bestimmbar. Es gibt viele Gründe und die sind bei jedem unterschiedlich.
Daher klingen auch einige meiner Tipps auf den ersten Blick vielleicht etwas oberflächlich. Es ist einfach nicht möglich, so individuelle Dinge für alle genau auf einen Nenner zu bringen.
Hier also 8 Tipps, die mir besonders am Herzen liegen:
- Beobachte dich permanent selbst: In einen Burn-out rutscht man über eine gewisse Zeit. Es ist wie bei dem Experiment mit dem Frosch im heissen Wasser. Man merkt erst nicht, dass man sich gerade in die Krise reitet.
Es gibt Anzeichen dafür, die man früh bemerken kann und dann nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Beispiele sind: Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit, fehlende Energie. Dinge, die sonst Spaß machen, sind einem zu viel. Man möchte nur schlafen und dann geht es nicht, weil einem so viel durch den Kopf geht. Evtl. stellen sich Ängste ein bis hin zu Panikattacken – das ganze Programm. Auch körperliche Beschwerden können sich einstellen, gegen die dann keine Pillen helfen, weil diese eben seelisch bedingt sind. Also früh darauf achten, ob solche Symptome auftreten und gegensteuern. - Arbeite nicht zu viel: Das Problem speziell an der Hochzeitsfotografie ist, dass Hochzeiten gehäuft von Frühling bis Herbst auftreten. Wer davon schwerpunktmässig lebt, hat den Anspruch, möglichst viele Aufträge anzunehmen und Geld für die schwächeren Wintermonate zurückzulegen. So ähnlich wie der Eisdielenbesitzer, der den Winter zuhause im sonnigen Süden verbringt. Die meisten Hochzeitsfotografen beenden die Hauptsaison einigermassen auf dem Zahnfleisch gehend, wenn sie nicht sogar vorher schon krank werden. Wer den Job länger machen will und gesund älter werden, der muss lernen, Aufträge abzulehnen bzw. die Nachfrage und die Einnahmen so zu steuern, dass das Überleben auch mit einer angemessenen Zahl an Aufträgen möglich ist. (Gerade dieser Teil macht einen starken Diskussionsanteil in meinen Workshops aus.)
- Lebe gesund: Hochzeitsfotograf zu sein ist körperlich und mental einer der anstrengensten Jobs, die es gibt. Ich habe lernen müssen, dass es nicht reicht, Training nur auf das Heben der schweren Kameras zu beschränken und sich von Hochzeitstorte und hastig aufgehäuften Tellern am Büffet zu ernähren. In meinem Blog finden sich nicht ganz zufällig inzwischen auch Rezepte für gesunde Gerichte und Snacks. Außerdem betrachte ich inzwischen Sport nicht mehr als Luxus in der Freizeit, sondern als Teil meiner Arbeit, der möglichst jeden Tag dazugehört. Ich bin immer noch weit davon entfernt, ein Sportler zu sein. Aber ich fühle mich im Alltag und bei Hochzeiten wesentlich fitter und leistungsfähiger. Auch regelmässiger Schlaf gehört dazu, um meine Arbeitskraft zu erhalten. Es gehört zum Job! Auch wenn ich zwischendurch Pausen mache und „faul“ im Café in der Stadt herumsitze, ist das wichtiger Bestandteil meiner Gesunderhaltung. Niemand ausser mir, kann mein Arbeitspensum beurteilen.
- Erfinde dich regelmässig neu: Alles, was zur Routine wird, strengt auf die Dauer unglaublich an. Wir sind nicht dafür gemacht, immer das Gleiche zu tun. Der kreative Geist lebt von der Abwechslung. Meine Erfahrung ist: Ja, jede Hochzeit ist anders. Aber nach einigen Jahren in dem Job reicht das nicht mehr aus an Andersartigkeit. Es ist wichtig, auch freie Projekte zu machen und die eigene Arbeit immer wieder neu zu erfinden. Dazu gab es einen schönen Part in einem Gespräch zwischen Steffen Böttcher und Calvin Hollywood, in dem Calvin erzählt, dass er sich für viele Bereiche der Fotografie interessiert und immer wieder neues dazu lernt. Sogar die Naturfotografie würde ihn interessieren, auch wenn er vielleicht kein großartiger Naturfotograf würde. Gerade Fotografen, die, wie ich, ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, sollten sich immer wieder daran erinnern, dass die Fotografie Spaß macht. (Und wenn sie das nicht mehr macht, ist es nötig, den Spaß darin wieder zu finden.)
- Plane nicht zuviel: Dieser Tipp könnte auch nach dem Buch von Dale Carnegie „Sorge dich nicht, lebe“ heissen. Als selbstständige Fotografen fragen wir uns viel zu oft, wann der nächste Auftrag kommt und wie wir es schaffen, den Betrag XY auf die Seite zu legen (für den Winter oder für neues Equipment). Natürlich ist es sinnvoll, sich darüber gezielt Gedanken zu machen. Aber eben gezielt und nicht ständig. Wenn ein Plan einmal gefasst ist, sollte man sich Zeit geben und diesen konsequent verfolgen. Jeden Tag seine Ziele wieder in Frage zu stellen und zu überlegen, ob es nicht anders besser wäre, sabotiert nur den eigenen Erfolg.
- Vernetze dich, aber mit den richtigen Leuten: Das könnte für manche der radikalste Tipp aus dieser Liste sein. Wir alle wissen, wie wichtig netzwerken ist. Auf facebook, xing, google plus usw. und auch bei regionalen Businesstreffen mit Existenzgründern und auf (Hochzeits-) Fotografenstammtischen. Wichtig ist, dass man dabei nicht an Leute gerät, die permanent alles negativ sehen und erwarten, dass man genau der gleichen Meinung ist, wenn sie sagen, dass nichts richtig läuft, früher alles besser war, heute ja keiner mehr Geld für gute Fotos ausgibt etc. Das saugt einem die Energie ab, die man braucht, um mit Freude und Leidenschaft seine Arbeit richtig gut zu machen. Wer also merkt, dass er solche Menschen in seinem Umfeld hat, der sollte einen harten Schnitt machen und diese Umgebung meiden! Positive, motivierende Kontakte sind dagegen hilfreich und unterstützen das Wachstum. Man muss dabei nicht das Gefühl haben, sich abzugrenzen, weil man „etwas Besseres“ sei. Das Zauberwort heisst „Psychohygiene“. Und es geht dabei um die eigene Gesundheit. Positive Kontakte sind wunderbar und helfend und fruchtbar für beide Seiten. Menschen sind soziale Wesen und wachsen in der Gemeinschaft oft über sich hinaus.
- Gönne dir das Beste: Das Thema Selbstliebe füllt diverse psychologische Ratgeber und ist sicher ein ganz wichtiger Punkt. Man sollte die eigenen Bedürfnisse, Träume und Wünsche immer an erster Stelle sehen. In der Realität ordnen wir uns selbst aber oft unter „ferner liefen“ ein. Die anderen kommen immer zuerst. Die Kunden, die Familie, die Freunde. Sozial sein ist gut und wichtig. Aber wenn man auf Dauer alle anderen zuerst bedient, wird man krank. Punkt. Keine Ausnahme. Das Heilmittel ist, sich selbst mehr in den Vordergrund zu stellen, die eigenen Bedürfnisse zu achten und Träume nicht vorab schon selber klein zu reden. Dazu muss man nicht ein asozialer Egoist werden. Sich selbst und anderen gut tun ist durchaus vereinbar. Sehr gut sogar. Da muss nicht erst eine Kundin/Braut darauf hinweisen: „Wir wollen, dass Sie sich bei uns [auf der Hochzeit] wohl fühlen. Denn dann bekommen wir ja die schönsten Bilder.“ Diese Kundin gab es und sie war Personalleiterin eines Unternehmens.
- Wovon träumst du? – Nach ausreichend langem Arbeitsalltag, täglichen Sorgen und Ängsten und das nicht nur im Job sondern auch im privaten Umfeld, haben die meisten vergessen, was sie eigentlich einmal wollten. Diese Träume gilt es wieder zu finden, wieder zu beleben und mit noch mehr Farben anzureichern. Dafür braucht es Raum im Alltag. Und zwar einen geschützten Raum. So kann man das kleine verdorrte Pflänzchen hegen und zum Erblühen bringen. Meditation und Visualisierung sind die Werkzeuge dazu. Und diese Techniken kommen ganz ohne Esoterik aus und sind von jedem erlernbar.
Soweit meine vorläufigen Top-8 zum Thema Burn-out Prophylaxe. Die Liste wäre sicher noch fortsetzbar.
Fazit
Nach meiner Erfahrung ist niemand vor Burn-out sicher, wenn er nicht sehr bewusst mit sich und seinem Leben umgeht. Dass es mich selber so erwischt hat, war eine deutliche Ohrfeige. Denn vor meiner Laufbahn als Fotograf war ich Coach und bin sogar ausgebildeter Heilpraktiker für Psychotherapie. Ich hätte es also besser wissen können. Aber da war die Sache mit dem Frosch im heissen Wasser…
Die oben genannten Tipps sind die Grundlagen meines neuen Lebens nach überwundenem Burn-out und helfen mir, jeden Tag aufs neue als Geschenk zu betrachten und meine Arbeit, die mein Traumjob ist, zu genießen.
Meine Erfahrung fließt in meine Seminare zur Hochzeitsfotografie und besonders in Clear Vision mit ein. Diese Seminare habe ich nicht zufällig so gestaltet und ich hoffe, dass der eine oder andere den Weg dahin – besonders in das Clear Vision Seminar – findet, bevor es zum Crash kommt.
Hallo Hendrik,
sehr guter Artikel. Vielen Dank! Punkt 1 und 3 erscheinen mir extrem wichtig, sind aber auch die, am schwiergsten umzusetzenden Punkte 🙂 Gerade wenn man HZ Fotografie als Fulltime Job neben dem Fulltime Job ausübt 🙂
Lieber Hendrik,
dieser Blogpost ist der wichtigste und hilfreichste, den ich für mich persönlich in den letzten zwölf Monaten gelesen habe. Herzlichen Dank für deine Offenheit, mit der du bei mir etwas angestoßen hast!
Alles Liebe aus Köln, Michael
Hallo Hendrik,
ich kann dir bei allen Themen und Punkte voll zustimmen. Für mich ist das Wichtigste, eine gesunde „Work-Life-Balance“ zu haben. Hört sich schrecklich modern an, ist aber ein alter Hut. Andere nannten es „Kraft durch Freude“. Im Grunde sind der gesunde Egoismus und ein brauchbares Selbstbewusstsein einige der unschätzbarsten Dinge für unsere Gesungheit, die wir uns nicht nehmen lassen sollten.
Sehr schöner Artikel.
Hallo Hendrik,
ein überaus guter Artikel, der mich in meiner Lebensweise doch immer mehr bestätigt. Danke für deine offene Herangehensweise an das Thema. Ich wünschte es würde öfter solche Artikel anderer geben.
Viele Grüße
marv
Ja, das kann ich so unterschreiben. Es ist wirklich nicht einfach, auf sich selbst zu achten. Auch das Buch von Dale Carnegie ist ein guter Tipp.
Zu dem Thema hatte ich letztes Jahr auch mal einen Blogbeitrag geschrieben. Wen es interessiert: http://www.andreas-fotoblog.de/18-monate-selbstandig-und-der-lange-weg-dorthin-teil-1-3/1217
Vielen Dank für diesen Post. Auch wenn man es theoretisch irgendwie weiß, muss man es manchmal mit Schmackes umme Ohren gehauen bekommen, damit man es nicht wieder vergisst.
Erst einmal danke für den Bereicht, ich denke das viele sich in vielen gennanten Bereichenb wieder finden. Ich zu meinem Teil bin erfolgreicher Nebengewerbsbetreiber mit den Aufträgen einer Vollzeit wenn man Bearbeitung und Aufträge zusammen nimmt.Dazu kommen Aufträge von größeren Hundezubehörhersteller die zu stemmen sind momentan, Wichtig ist denke ich auf seinen Körper zu hören..müde ? dann ruh dich aus…iss Gesund..trinke ausreichend..nimm dir auch bei Hochzeiten kleine Bomben mit 🙂 für zwischendurch… (Obsttüten/Wasser z.B.) gerade auch bei der Hundefotografie stehe ich oft sehr lange in der Sonne…schütze dich !!!Gerade der Umstieg vom Nebengewerb zur Haupteinnahmequelle ist extrem schwierig da du in beiden Jobs alles gibst..treffe Entscheidungen die dir gut tun…Dinge auch mal aus der HAnd geben wie Buchhaltung z.b. ( bei mir schwierig manchmal andere was machen zu lassen ). Für mich ist es um so wichtiger Schlaf und Ruhe zu tanken sobald die Abende nicht mehr so lange sind und es vor 2-3 Uhr ins Bett geht ,,,die Zeit um so intensiver nutzen…. lg
Habe den Artikel erst jetzt entdecke und möchte dir dafür danken. Sehr offen und gut geschrieben, und für uns alle ein sensibles Thema, das gerne verdrängt wird. Gerade in der Saisonzeit muss „die Ernte“ eingefahren werden, obwohl ja im Winter und Frühling Menschen heiraten, versucht man doch, alles mitzunehmen. Besonders bei den Hinweisen zur Vernetzung habe ich Leute meiner Umgebung „wiedererkannt“. Diese Dauernörgler reden das Geschäft schlecht, fotografieren ja schon sooo lange und haben ja früher „richtig gutes Geld“ verdient, aber heute… Solche Leute blende ich inzwischen aus meinem Leben aus. Besser so.
Hallo Hendrik, vielen Dank für diesen sehr gut geschriebenen Artikel. Die Thematik scheint gerade allgemein in der Luft zu liegen bei vielen Fotografen und Kreativen. Das bedingt fast schon die berufliche Thematik an sich. Ich fotografiere aktuell zum Beispiel bewusst weniger Hochzeiten wie in den vergangenen Jahren. Hat sich als gut erwiesen. Da bleibt für die einzelne Hochzeit mehr Power, mehr Lust, mehr Energie. Eine andere wesentliche Sache ist auch der eigenen Energie zu folgen. Worauf hab ich jetzt Lust ? Was interessiert mich wirklich (wirklich). Leichter gesagt, als getan. Denn manchmal braucht es auch ein gehöriges Maß an Mut und Offenheit, neue Wege zu gehen.
Hallo Wolfgang,
ja, es braucht tatsächlich Mut, sich immer wieder neu zu erfinden. Gerade wenn das, was man macht, am Markt schon funktioniert. Ich tappe selber immer wieder in diese Falle.
Ich wünsche dir viel Erfolg auf deinen (vielleicht neuen) Wegen!
Liebe Grüße
Hendrik
Vielen herzlichen Dank für diesen tolle und informativen Beitrag von euch! Ich konnte einiges neues für mich mitnehmen und freue mich schon auf die nächsten Beiträge.
Grüße Robert